September 12, 2018

Waterloo

Von katrin101

Hier also das blaue Kleid. Den Stoff habe ich schon vor mehr als einem Jahr auf dem Stoffmarkt am Maybachufer in Berlin gekauft. Der war irgendwie wahnsinnig günstig und hatte ein paar Webfehler und ich habe da in meiner Vorstellung so ein richtig schön schwingendes Sommerkleid gesehen. Also habe ich jede Menge Meter gekauft und im Frühsommer am Nähwochenende das Kleid Josephine (Beach Promenade S. 27) aus der Ottobre 2/2018 genäht.

Schräge Ergebnisse.

Schräge Ergebnisse.

Und ich habe mich schwer getan. Ein Wochenende voller Krisen. Die flatterigen Ärmel, die ich so schön fand haben mich in den Wahnsinn getrieben. Nix hat gepasst: der Ärmel war viel zu weit in der Armkugel. Auch nach dem 7x einpassen passte es einfach nicht. Durch das dauernde Anprobieren hatte ich dann auch schon den Ausschnitt vorne ausgeleiert, bevor ich den Beleg dran genäht habe. Die Ärmel hat meine Nählehrerin dann noch mal neu aus den vorhanden Ärmeln konstruiert. Der Rollsaum war da schon fertig und ein ziemlicher Kampf unter der Overlock. Ich wollte das auf keine Fall noch mal neu säumen, daher der etwas unegale Saum der Ärmel. Die Schulternähte habe ich glaube ich 4 Mal wieder aufgetrennt und neu genäht. Bei einem fusseligen Viscose eine nur bedingt gute Idee.

Aber ich habe immer noch diese leichte Sommerkleid vor meinem geistigen Auge gesehen: flatterig, sommerlich, ein bischen wie eine Wolke. Und dann habe ich das fast fertige Kleid angezogen, nur der Saum fehlte noch. Und habe in den Spiegel gesehen. Und ich war selten so enttäuscht. Ein Clash zwischen meinem Bild und der Realität. Volles Waterloo.

Ich sehe mich meistems im Spiegel beim Zähne putzen. Ich weiss, dass ich viele weiße Haare habe, Falten um die Augen und ein Doppelkinn. Den Rest von meinem Körper sehe ich eigentlich selten an. Aber pötzlich habe ich mich ganz gesehen und das war nicht leicht, sommerlich und flatterig. Das war so gar nicht wie im Heft und bei Anderen im Internet. Das war schlechte Haltung, dicker Busen und Kittelschürze mit abfallenden Schultern. Meine Ideen von dem Kleid kamen mir da plötzlich so vor, als wollte ich mir Federn wachsen lassen um zu fliegen. Gänzlich unwahrscheinlich und ziemlich dämlich.

Photobombed.

Photobombed.

Es wurde dann noch ein Riegel für den Rückenauschnitt konstruiert (so ein tiefer Auschnitt hinten ging bei meinen abfallenden Schultern wirklich nicht) und den Saum abgepüstert und schön gesäumt. Und dann war das Kleid Ende Mai fertig und ich habe es eben das erste Mal an gehabt. Fast die ganze Hitzewelle über habe ich Jeans und Shirt getragen.

Rückblick.

Rückblick.

Ich war da schon mal weiter, was Body-positivity angeht. Ich dachte ich wäre weiter. Ich verstecke meine haarigen Beine nicht mehr. Ich gehe manchmal barfuß obwohl ich meine Füße immer noch fürchterlich finde. Ich trage meine Haare so wie sie sind. Was soll ich mich verstecken: ich bleibe ja ich und wenn es jemanden stört, können mir die eh gestohlen bleiben. Wenn ich mich erst anders machen muss, um gemocht oder akzeptiert zu werden, dann gilt diese Akzeptanz ja nur diesem Kunstprodukt. Dafür ist mir meine Zeit zu schade und dafür bin ich zu stolz. So sehe ich das.

Aber das Bild in meinem Kopf sagt was anderes. Das sagt einfach nur: falsch, unförmig, unvorteilhaft. Jede Mene un- Und das hat das Gefühl, dass sich das Kleid eigentlich echt angenehm trägt, völlig zunichte gemacht. Auch das Gefühl, das es sich leicht und flatterig und sommerlich anfühlt, wenn ich es an habe.

Ich arbeite dran.

Kittelschürze.

Kittelschürze.

Also ein anderer Song und eine neue Übung: You can dance.

Tja, das hilft doch immer. Oder das hier. Go watch the film. Ich arbeite weiter dran mich von Bildern unabhängiger zu machen.